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LA VIDA
artist statement // Nadeschda

Die Themen, die mich hauptsächlich umtreiben, sind von existenzieller Art.
In meinen Arbeiten setze ich mich künstlerisch mit den Aspekten der beseelten Natur, der Freiheit, mit Ursprung, Verwandlung und Neubeginn, mit Abschied und Erinnerung auseinander. Und mit den langen Schatten der Vergangenheit und deren unausweichlichen Auswirkungen auf die Gegenwart.

Diese weiten Bereiche durchdringen viele Bilder von mir. Sie zeigen sich sowohl im konkreten Thema der Arbeit als auch in ihrer Ausführung, die häufig sehr filigran, zart und durchsichtig, fast ätherisch ist.


Nicht von dieser Welt und unbeheimatet, wird Haut zu Hülle und Haus.


Ein textiles und papiernes Universum, das aufgrund seiner fragilen Beschaffenheit optisch gleichsam in Auflösung begriffen scheint, stemmt sich gegen das Übersehen- und Vergessenwerden.

Ein wichtiger Aspekt für meinen künstlerischen Ausdruck ist die Sprache, sind Wörter und Sätze. Häufig sind sie gestalterisch in meine Arbeiten integriert. Handgeschriebene und handgestickte Worte finden für zu früh Verstummtes, Unaussprechliches und Unsagbares – das ist mir ein wesentliches Anliegen.
So manches mal entsteht die Idee zu einem Bild aus einem einzigen Wort, das mich wegen seines Klangs oder seiner Poesie inspiriert. Ganz generell aber fange ich meine Inspirationen ein, wo sie sich um mich herum zeigen und offenbaren.

Materiell bestehen meine Arbeiten aus seltenen, kostbaren Grundstoffen genauso wie aus mißachteten oder achtlos weggeworfenen, scheinbar wertlosen Überresten. Immer aber erzählt auch das Material eine Geschichte und steht in engem Zusammenhang mit den Themen der Objekte.


Mein zu Grunde liegendes Werkzeug
besteht vorzugsweise aus Nadel und Faden. Die zeitlebens vorhandene Faszination für das "Dreidimensionale im Zweidimensionalen", für das Unmittelbare und Eindrückliche, das die Stickkunst generell ausmacht, ließ mich früh diese Kunstform vor allen anderen wählen.
Dabei überschreite ich desöfteren - ganz bewußt - in jeweils beide Richtungen die vor allem in Deutschland sehr starren Grenzen zwischen "Angewandter Kunst" und "Bildender Kunst".

Es ist mir ein tiefes Bedürfnis, mit meinen Werken Schönheit zu schaffen. Mit sinnlicher Präsenz, Tiefe und Symbolhaftigkeit den Zauber einer Verwandlung zu bewirken ... zu zeigen, daß scheinbar Festes und Unbewegliches eine Auflösung erfahren kann, und zwar nicht mit Gewalt und Kraft, sondern mit Zartheit und Feinheit – das ist ein hoffnungsvoller und tröstlicher Aspekt meiner Kunst. Im besten Fall wird er bei ihrem Anblick spürbar.


© Nadja Hormisch, Oktober 2023



Nadeschdas gestickte Welt


Eine Ausstellung von Nadja Hormisch zu besuchen, die auch Nadeschda heißt, kommt einer Offenbarung gleich.

Nadeschdas Welt voller Geheimnisse: eine Welt gestickter, verborgener Botschaften.
Leise, fein und fast unmerklich werden Betrachterinnen und Betrachter auf poetische Flüge und tiefgründige Tauchgänge geführt. Es eröffnen sich vielschichtige, mehrdimensionale Stickfelder in abstrakter Auflösung von Formen mit grafischer Färbung.
Zart und subtil werden mit wenigen Gestaltungselementen Inhalte und Themen vollständig zutreffend dargestellt und offenbart. Dabei entfaltet die Verbindung von Sprache und Gestaltung eine geradezu mystische Ebene der bildnerischen Darstellung.
Nadja Hormisch läßt sich künstlerisch nicht unmittelbar festlegen. Die Art ihrer Darstellung erfolgt themenspezifisch, es entstehen unterschiedliche Werkgruppen und serielle Arbeiten, die sowohl abstrakt als auch figürlich sein können. Immer erkennt man jedoch die eigene Handschrift, den ureigenen Stil.
Manche Arbeiten verbinden Kindheitserinnerungen mit verspielter Lebensfreude. Die Reise führt Urwäldern gleich durch Tier- und Pflanzenreiche. Geborgene Landschaften atmen alte Eichenweisheiten, es singt der schwarze Vogel.
Mensch und Tier schauen mit eindringlichen, seelenvollen Blicken und geheimnisvoller Mimik in blaue Tiefe.
Die dunkle Nacht der Seele, ein Schwerpunkt von Nadeschdas Kunst. Golddurchwirkt und mondenschön glänzt feierlich das Sternenmeer und lädt ein, die Unendlichkeit zu erahnen. Die geistige Welt findet ihre Form in mutiger Durchsichtigkeit.
Lange Schatten vergangener Schmerzen wollten in vielen Kreuzen gestickt sein. Gefühltes Leid als nunmehr leicht Gesticktes bildet in transparenter Fadenführung die Seelenbrücken zur Heimat - bei gleichzeitig empfundener Heimatlosigkeit.
Das Farbenmeer mit den wogenden Buchstabenlandschaften erscheint wie eine trotzige Selbstbehauptung, durch machtvolle Kreativität dazumal verordnetes Stillschweigen zu durchbrechen. Worte und Zeichen zu finden, um vorgebliche „Schlußstriche“ aufzuheben.
Nadeschda überwindet mit ihren Arbeiten die Sprachlosigkeit. Durch Poesie und Kunst kommuniziert ihre bloße Seele mit der Welt, in transparenten Verhüllungen und seidig durchwirkten Schutzschichten - als Überlebensstrategie.
Virtuos spielt Nadja Hormisch auf der Klaviatur des ihrer Kunst zugrunde liegenden Handwerkes. Techniken wie Kanthastickerei, Fadenmalerei und Reliefstickerei ergänzen die Experimente mit Pflanzen- und Naturmaterialien. Dabei wählt sie sowohl edle, kostbare Werkstoffe aus Haute Couture und Paramentik, wie auch Altes, zufällig Vorhandenes, Gelebtes und Abgelegtes. Stoffe und Papiere sind stets gleichberechtigt.
Erhabene Paillettenblumen, Knötchenlandschaften, bizarre Knotereien und Wollperlenkugeleien, Verschnürungen, Farbwolken, erdfarbene Collagen und Gewebe, ineinander weich verwobene Fäden: sie versteht es meisterhaft, in die Tiefen des Materials einzudringen.
„Schwebende Luftstickereien“, das wäre eine von vielen Beschreibungen dieser Sammlung gestickter, geflügelter Zärtlichkeiten.
Stickkunst höchster Güte – feinfädig und federleicht durchscheinend, die unsichtbaren Dinge darstellend.
Ein Kompass des Lebens und Überlebens aus dem Elfenland.

© Angelika Krohne // im Sommer 2023



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